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Republik Tuwa – ein Highlight dieser Reise

Vor ein paar Tagen wurde ich gefragt, wo es mir auf unserer Reise bisher am besten gefallen hat. Nach 3 1/2 Monaten in 10 verschiedenen Ländern, die alle ihre Besonderheiten haben, ist das nicht einfach zu sagen. Doch die letzten Tage hatte ich schon mehrmals gedacht, dass es mir hier, in der autonomen Republik Tuwa, bisher am besten gefällt.

Die meisten werden sich jetzt wahrscheinlich Fragen, wo die Republik Tuwa überhaupt liegt, denn der Name taucht im Weltgeschehen sonst so gut wie nie auf. Tuwa ist eine Republik im Süden Russlands mit dem Altaigebirge im Westen, das Westsarjangebirge im Norden, Burjatien sowie dem dort befindlichen Baikalsee im Osten und im Süden die Mongolei und das Tannu-Ola Gebirge.

Tannu-Tuwa, wie es von den Einheimischen („Sojoten“) genannt wird, war lange Zeit ein Spielball anderer mächtigerer „Nachbarn“. Dschingis Khan, die verschiedene chinesischen Dynastien und die Sowjetunion zerrten an dem auf einem Hochplateau befindlichen Gebiet. Das Russische Reich unterstützte 1912, natürlich angetrieben von eigenen Interessen, die Bildung eines eigenen Staates. Und so wurde es nach dem russischen Bürgerkrieg 1918/19 Teil der Sowjetunion, war kurze Zeit ein eigener aber nicht anerkannter Staat und ist nach dem Zerfall der Soviet Union sowie einer weiteren sehr bewegten Zeit Teil Russlands. Kollektivierung, stalinistische Säuberung und Zerstörung des vorherrschenden Buddhismus und Schamanismus natürlich inklusive.

Heute scheint Tuwa nicht nur im Weltgeschehen sondern auch in Russland selbst kaum eine Rolle zu spielen. Nur wenige Russen und erst recht kaum Ausländer bereisen die Republik. Seit Mitte der 90er ist die Republik auch erst für nicht Tuwaner und Ausländer geöffnet! Da verwundert es nicht, dass die Grenze zur Mongolei für uns Europäer geschlossen ist und auch nur zwei Straßen aus dem russischen Reich nach Tuwa führen. Der Anschluss an die transsibirische Eisenbahn vom 400 km entfernten Abakan war 2011 geplant und begonnen worden, wird nun jedoch nur durch Privatinvestoren weiter vorangetrieben, nachdem 2012 schon keine Gelder mehr dazu aus Moskau freigegeben wurden.

Wir sind über den Sjanski-Pass auf 2206 m Höhe (auf dem Regionausgangsschild der Republik Chalassien stehen 2214 m obwohl es nur ein paar Meter sogar den Hang runter steht) ganz im Westen Tuwas eingereist. Wenn wir später gefragt wurden, wie wir nach Tuwa gefahren sind, waren alle immer sehr beeindruckt, dass wir den Pass gefahren sind, denn die Straße und besonders die Brücken sind in keinem guten Zustand. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass dieser Pass aufgrund seiner Steigung und mehrerer Monate schneebedeckt logistisch nicht interessant ist und deswegen auch nicht gepflegt wird. Landschaftlich ist es jedoch eine Wucht. Wir hatten gelesen, dass in Tuwa nahezu jede Landschaft zu sehen sei und schon bei diesem Pass fuhren wir von Gebieten, die an einen gemäßigten Regenwald erinnerten, in alpines Gebiet und daran schloss sich quasi nahtlos Wüste und mongolisch anmutende Steppe an.

Wir wurden kurz vorm ersten Dorf von der Polizei angehalten. Lukas war aus Kasachstan und Kirgistan immer noch genervt und ihm schwante böses. Doch die Polizisten riefen rasch eine englischsprachige Kollegin an und dann wurde klar, dass die Polizisten kontrollieren wer so im Land unterwegs ist und warum. Unsere Pässe wurden in ein kleines Buch handschriftlich übertragen und die ungefähre Aufenthaltsdauer vermerkt, dann durften wir nach einem kleinen Fotoshooting der Polizisten vorm Lukimog weiterfahren.

Neben den vielen verschiedenen Landschaften soll auch die Fauna in Tuwa zahlreich Bewohner haben. Das heißt sowohl Yaks als auch Kamele und Rentiere sollen zu sehen sein. Auf die drolligen Yaks freuten wir uns sehr, da wir diese witzigen Tiere gerne in der Mongolei beobachtet hatten. Stark ausgeprägter Alkoholmissbrauch der Bewohner im ersten Dorf im Westen des Landes, ließen uns jedoch schnell das Weite in Richtung Osten suchen, sodass wir die im Westen befindlichen Yaks nicht zu Gesicht bekamen.

Die nächsten Tage ließen wir uns treiben. So landeten wir an einem Abend auf einer Landzunge man könnte sagen im Jenissei unterhalb eines buddhistischen Schreins, die seit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Besuch des Dalai Lamas 1992 wieder erlaubt sind. Sonnenschein sowie Regen und Wind, der den Steppensand aufwirbelte, wechselten sich ab. Ein wundervoller Standplatz.

Der junge Mönch beim Schrein, den wir kurz vor seinem Feierabend noch trafen, war völlig aus dem Häuschen. Wahrscheinlich waren dort noch nie Ausländer zu Besuch und wenn überhaupt, dann bestimmt nicht mit dem eigenen Auto. Schließlich fuhren wir bis dort vom letzten Dorf circa 20 km Schotterpiste. Er machte gefühlt tausend Fotos und fragte uns so gut es ging aus. Er lud uns auch zum dazugehörigen großen Kloster im nächsten Dorf ein.

Der ausländische Tourismus in Tuwa ist minimal, von circa 100 Touristen pro Jahr habe ich gelesen. Vom großen Highway bei Krasnojarsk sind es immerhin auch 1000 km Umweg pro Strecke. Eine Sackgasse also. Und das macht für uns auch den Charme aus. Auch hatte ich zuvor gelesen, dass die Tuwaner Ausländern gegenüber unfreundlich gar aggressiv sind. Das ist aus unserer Sicht völliger Quatsch. Bis auf die Besoffenen, denen man ja sowieso lieber aus dem Weg geht, sind alle sehr interessiert, gastfreundlich, hilfsbereit und natürlich. Es gibt keine extra für Touristen hergerichtete Märkte, Tempel oder dergleichen. Das heißt wir konnten richtig eintauchen in die Kultur. An einem Morgen frühstückten wir vor einem „Milch-Schleuder-Areal“. Mir ist nicht der richtige Begriff für diesen Ort eingefallen und Lukas meint „Milch-Schleuder-Areal“ trifft es. Gemeint ist eine buddhistische Stätte zur der die Leute gehen, um zu Beten und Opfer zu bringen. Lukas kam gar nicht zum frühstücken, da er immer wieder Interviewtermine vorm Auto wahrnehmen musste. Eine Frau erklärte mir, dass an dieser Stätte zudem der Tuwanische Sprache und Kultur gehuldigt wird. Anschließend zeigte sie uns wie gebetet wird und am Ende des Gebets wurde nunmal Milch in die Luft geschleudert.

Vom Fashion Festival in das wir quasi reingestolpert sind, berichteten wir bereits. Es war wie der Besuch auf einem großen Straßenfest und nicht wie im Phantasialand, wo für irgendwelche Touristen eine Show geboten wird. Toll!

Wir fuhren ein paar Tage Richtung mongolischer Grenze. Im Sommer ist das ja alles hier schön und gut aber was machen die Menschen im Winter? Wir hatten Schwierigkeiten Gemüse zu kaufen; frisches Fleisch, Eier oder Milch gab es nur selten. Aber die Gärten der sesshaften Tuwaner beherbergen trotzdessen keine Hühner, Schweine oder eine große Auswahl an Gemüse. Lediglich Kartoffeln aber wovon die sonst noch leben ist mir schleierhaft.

Irgendwann landeten wir in Kyzyl, der Hauptstadt. Zufällig hielten wir, angezogen vom Ufer des Jenisseis, zu dem sich der Große und Kleine Jenissei dort vereint, vor einem Monument, das das Zentrum Asiens markiert. Die Methode das Zentrum Asiens zu berechnen ist abhängig davon an welcher Stelle die Grenze zwischen Europa und Asien gezogen wird, wie gerechnet wird und welche Inseln dazu zählen. In Europa existieren aus diesem Grund mehrere berechnete europäische Zentren. Die Russen (damals noch Sovjet Union) berechneten es in der heutigen Ukraine, Polen in Polen, Deutschland in Deutschland und so weiter, achso, alles klar. So ist es nicht verwunderlich, dass China das Zentrum Asiens für sich beansprucht und ebenfalls in Yongfeng bei Ürümqi ein Monument errichtet hat. Aber egal, was das Zentrum Asiens, ob jetzt in Kyzyl oder 700 km südlich in China auszeichnet, ist das man von den Weltmeeren, so weit weg ist, wie sonst kaum. Beeindruckende Vorstellung.

Eine Begegnung danach war besonders schön. Ein russisch-orthodoxer Mönch stand vor der Landkarte am Lukimog als wir zum Wagen zurück kehrten. Er freut sich sehr uns kennenzulernen. Auch wollte er uns irgendwas schenken, suchte in seiner Tasche und versuchte uns dann 2000 Rubel zu geben. Er segnete uns und besonders Lisanne und strahlte einfach so viel Freude und Zuneigung aus!

Wir gingen in einem Restaurant essen und fuhren dann auf die gegenüberliegende Uferseite, wo wir einen schönen Standplatz ausgeguckt hatten. Eigentlich wollten wir am nächsten Tag nur eine Wäscherei aufsuchen und danach Kyzyl wieder verlassen. Wir und Städte haben es ja nicht so. Aber es kam anders.

Die Wäscherei war schnell gefunden und ein echter Hingucker. Da der Trockner jedoch nicht vollständig, sondern eher nur nebelfeucht trocknen konnte, fuhren wir danach erneut zum Standplatz, um die Wäsche aufzuhängen. Daraus wurde dann ein richtig fauler Tag. Erst am späten Nachmittag fuhren wir nochmal in die Stadt, um uns im Nationalmuseum den Skythenschatz aus dem 6. Jhd. anzuschauen, der im russischen „Tal der Könige“ bei Arshaan gefunden wurde. Das Museum machte leider schon zu aber davor wurde wir von Vera aus Deutschland mit den Worten „Ihr seid die Kölner!“ angesprochen. Sie ist beruflich für eine Fotoausstellung, die am nächsten Tag eröffnet wurde, in Kyzyl und hatte den Lukimog am Vortag schon gesehen. Wir verabredeten uns zum Abendessen und verlängerten unseren Aufenthalt in Kyzyl schonmal um einen Tag, um die Ausstellung und Veras Rede bei der Eröffnung zu sehen. Bevor wir abends mit Vera essen gingen, standen wir wieder in der Nähe des Zentrum Asiens und machten eine Pause und Lukas wollte duschen gehen. Daraus wurde allerdings lange Zeit nichts, denn Lukas musste wieder ein Interview nach dem anderen geben, die Menschenmenge um den Lukimog riss nicht ab.

Als Lukas dann endlich duschen konnte, lernte ich Stanislav und seine Freunde kennen. Der tschechische Fotograf kommt seit 20 Jahren immer wieder nach Tuwa. Auf der Ausstellung im Nationalmuseum am nächsten Tag trafen wir uns wieder und verabredeten uns diesmal mit ihm und seinen Freunden. Außerdem beschlossen wir auch noch die nächsten zwei Tage in Kyzyl zu bleiben, da nicht nur in der Mongolei, sonder auch in Tuwa Naadym gefeiert wird und das wollten wir nicht verpassen.

Der Skythenschatz im Nationalmuseum ist übrigens nett anzusehen, interessanter sind jedoch die Sicherheitsvorkehrung. Nach einer Schleuse wurden wir mit einem Sicherheitsmann mit Pistole in der Schatzkammer eingesperrt. Die Goldschätze sind unter Glas, sodass auch unsere Ladendiebin Lisanne keine Gelegenheit bekam, wie bei einem der letzten Gemüseeinkäufe unbemerkt mit einem unbezahlten Pfirsich in der Hand, das Museum mit einer Goldkette verlassen konnte. Schade eigentlich, dann hätten sich die umgerechnet 18 € Eintritt wirklich bezahlt gemacht.

Nathi

5 Kommentare

  1. Uli Dohmen Uli Dohmen

    Ich kann es kaum in Worte fassen so überwältigt bin ich von dem neuen Beitrag. Durch eure Beiträge habe ich soviel von Russland erfahren in Wort und Bild. Ganz herzlichen Dank dafür und weiter so.Uli

  2. Bine &Heiner Bine &Heiner

    Hallo Ihr Vier!Ich bin schwer beeindruckt von Euren Reiseberichten und den teilweise
    einmalig schönen Photos.Man sieht Euch an ,wie Ihr die Reise geniesst,die wohl auch
    anstrengend sein muss.Ich beneide Euch Abenteurer und wünsche mir noch viele
    Berichte und Bilder,denn so gut bin ich noch nie über den „Osten“ informiert worden.(wie verständigt Ihr Euch eigentlich mit denLeuten und z.B. der Polizei?)
    L.G.Heiner

    • Lukimog Lukimog

      Bei der Polizei verstehen wir erstmal gar nichts. Englisch können nur wenige dafür manche Männer etwas deutsch, da die meisten mit dem Militär in der Deutschland waren. Aber vornehmlich verständigen wir uns mit Händen und Füßen und ich verstehe viel russisch nur sprechen fällt mir schwer.

  3. Ulla Brehm Ulla Brehm

    Hallo Ihr Lieben, Nathi, Lukas, Lisanne, wau wau Binti, wie Uli schon schreibt, hin und wieder fehlen mir die Worte um zu beschreiben, wie viel ich durch Euch und durch Eure Beiträge zu Land und Volk erfahren habe. Erst einmal über einen so hoch gelegenen Pass einzureisen, dann die Schlaglöcher oder fehlende Fahrbahn, die Ihr bewältigt, der Fahrer muss schon ein guter seines Fachs sein!!! Und wird demnächst die Kölner Strassen wieder schätzen!!!!
    Auf den Bildern und in Eurer Schilderung sehe und lese ich über den Stolz der Tuwaner zu ihrem Land und vor allem zu ihrer Sprache. Interessant finde ich auch, dass sie keine Haustiere haben oder Gemüse anbauen, sie können doch nicht nur von Kartoffeln leben, zumal man diese zur Herstellung von Schnaps benötigt. … Und daran scheint’s ja nicht zu fehlen…
    Und dass Ihr beiden „Maschinenkundigen“ bewundernd vor den noch tätigen Schwungrädern in der Wäscherei gestanden habt, das kann ich mir gut vorstellen; ich denke, da wären auch gute Tipps der Ingenieurin nicht anerkannt worden, denn „Et is noch immer jot jejange“ , vor allem weil die eigentliche Trommel ja „blitzt“! (Wie’s dahinter aussieht geht keinen was an!…..)
    Letztendlich freut es mich, dass die Segnungen, die Euch von verschiedenen Mönchen in mehreren Ländern zuteil wurden, offensichtlich nicht allzu sehr im Widerspruch zum Schamanismus stehen. Ihr empfangt beides mit Gelassenheit, schaden kann Respekt gegenüber beidem Richtungen sicherlich nicht!!!
    Und dass Fotografen von weither anreisen, das kann ich bei Ansicht der ins Netz gestellten Bilder von Euch , nur zu gut verstehen; es muss ein Fest vor den geschulten Blick sein, wenn wir als Laien schon bewundernd ob der Vielfalt des Landes sind.
    Riesig gefreut habe ich mich über das „Bildtelefonat“, Danke Euch. Kommt gut und gesund weiter und schöne Tage mit Eurem Besuch! Bussi an alle, Ulla, Oma, Uri (Uhu)
    Übrigens: der Lukimog am Flussufer (hoffentlich vielfach gesichert) und dahinter der Regenbogen….beeindruckend!!!!

  4. Cornelius Woermann Cornelius Woermann

    Man ließt ja nur das, was man kennt und so wurde der „Jenissei“ beim ersten Lesen bei zum „Jenseits“ … aber Eure Berichte sind auch schön, wenn ihr nicht im „Jenseits“ steht …

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